Mein Hund hebt das Bein bis zum Himmel!
Mein Hund reitet überall auf!
Mein Hund lässt mich nicht in die Nähe seines Knochens!
Mein Hund versucht immer der Alpha bei anderen Hunden zu sein und ist sehr ruppig!
Mein Hund bellt und zieht wie verrückt an der Leine, wenn er einen anderen Hund sieht!
Oft werden viele Verhaltensweisen des Hundes schnell als dominantes Verhalten abgestempelt. Die oben genannten sind nur ein paar dieser Beispiele, die Liste ist jedoch noch viel länger. Betrachtet man aber das Tier, die Lebenssituation und die Besitzer genauer, so wird man feststellen, dass diese Aussage auf die wenigsten Hunde tatsächlich zutrifft. Dominanz hat etwas mit Kompetenz und Souveränität in einer bestimmten Situation zu tun. Dominanz ist keine Charaktereigenschaft, sondern entwickelt sich immer zwischen zwei Lebewesen (= Dominanzbeziehung). Das bedeutet, dass sich in jeder Situation von Neuem entscheidet, wer seine Kompetenzen und Stärken einsetzt – kein Lebewesen auf Gottes Erdboden ist IMMER dominant, sondern befindet sich immer in einer Wechselwirkung mit seinem Gegenüber und der jeweiligen Situation. Das ist in Mensch-Mensch-Beziehungen genauso wie in Mensch-Hund-Beziehungen.
Zu den Beispielen oben möchte ich vor allem erwähnen, dass man jedes einzelne auch mit einer anderen „Diagnose“ bewerten könnte.
- Mein Hund reitet überall auf!: Das könnte ebenso gut sexueller Natur oder auch Stress/ Frust sein, den er abbauen möchte.
- Mein Hund lässt mich nicht in die Nähe seines Knochens!: Vielleicht vertraut er dem Halter nicht genug oder ihm wurde zu verstehen gegeben, dass Ressourcen nicht herausgeben muss, bzw. wurde es vielleicht nie gelehrt.
- Mein Hund versucht immer das Alpha bei anderen Hunden zu sein und ist sehr ruppig!
Bei der letzten Aussage möchte ich etwas mehr erklären: Jeder der der Meinung ist, sein Hund wäre ein „geborener Alpha“ und würde immer versuchen durch Kraft und Gewalt andere in einer Hierarchie (z.B. auf der Hundewiese) unter sich bringen zu wollen, dem sei kurz und knapp gesagt: Euer Hund hätte in einem wild lebenden Rudel keine Chance, die führende Rolle zu übernehmen. Die gebührt nämlich nicht dem, der am meisten stänkert , auf andere Hund Druck ausübt, sie zu Boden drückt oder jagt, sondern dem, der Souveränität ausstrahlt und „weise“ Entscheidungen trifft! Das was ihr seht, hat wenig mit dominantem und souveränen Handeln zu tun.
Das was wir oft als „Dominanz“ abtun hat sich meist schleichend entwickelt. Meist liegt es daran, dass es der Hund schlichtweg nicht besser weiß oder wir ihn zu oft mit bestimmten Verhaltensweisen gewähren ließen/ lassen.
Generell ist es auch wichtig zu wissen, dass Dominanzverhalten, z. B. das Imponieren, zum normalen Kommunikationsrepertoire der Hunde gehört und in erster Linie dazu dient, Auseinandersetzungen zu vermeiden und klare Verhältnisse zu schaffen. Es ist also nichts, was man unterbinden müsste, wenn es in einer normalen Intensität vorkommt. Dafür muss man diese Verhaltensweisen allerdings kennen und erkennen. Denn das, was wir immer wieder sehen, oder was Kunden als „dominant“ ihnen gegenüber abtun ist meist etwas anderes, z. B. Unsicherheit, Frust, fehlendes Vertrauen, Überforderung…
Ich hoffe, aus dem Beitrag ist ganz klar heraus gekommen, dass es keine dominanten Hunde gibt, sondern lediglich Hunde, die in einer Dominanzbeziehung mit einem anderen „überlegen“ sind, dass Dominanz etwas Situatives ist und generell nichts mit Körperlichkeit oder Unterdrücken zu tun hat! (das gilt auch für uns Menschen!) Es ist auch nichts, was als negativ zu betrachten ist, denn auch wir Menschen sind anderen Menschen oder in bestimmten Situationen mehr oder weniger dominant.