Gegen Kastration…oder hängt die Dominanz doch an den Hoden?

Heute konnte ich es mir nun doch nicht verkneifen, ein paar Zeilen zu meiner absoluten Lieblings-dauer-Diskussion zu schreiben: Die Kastration, ein Für und Wider!

Halten wir zunächst einmal fest, dass immer mehr Hundebesitzer von der geballten Kompetenz zahlreicher “Experten” hin- und hergerissen sind. Der Eine verkündet die Beseitigung vieler Probleme mit Hilfe der Kastration, der Andere predigt von natürlicher Haltung und dem Schutz des Wesens “Hund”. Ich frage mich bei jedem Artikel bzw. jeder Unterhaltung kontinuierlich wieder: Wie kann man als Experte oder als jemand, der augenscheinlich Ahnung  von Hunden hat,  ein generelles Pro oder Contra Kastration/ Sterilisation aussprechen? Wie kann man sagen, nur einer der beiden Wege sei der Richtige? Spielen hier nicht unterschiedliche Faktoren eine Rolle? Ich für meinen Teil tendiere weder ausschließlich zu Pro noch zu Contra. Meiner Meinung nach ist es gefährlich und zugleich schwierig, Artikel oder Meinungen lediglich von einer Seite aus zu betrachten. Dies verwirrt und verunsichert schlichtweg. Gerne möchte ich die Rolle übernehmen und die – zweifelsohne – sehr guten Argumente Für und Wider Kastration / Sterilisation aufführen. Gegenübergestellt fällte es hoffentlich einfacher zu entscheiden, was in der individuellen Situation das Beste ist.

Was spricht nun nach Meinung der Experten FÜR eine Kastration?
Stress für den Hund: Rüden können den Geruch von läufigen Hündinnen über eine weite Entfernung wahrnehmen und  reagieren selbstverständlich darauf. Unruhe, Kratzen an der Tür, Jaulen, Wimmern bis hin zur Nahrungsverweigerung können die Folge sein. Lebt man in einem dicht besiedelten Gebiet mit vielen aktiven Hündinnen, können bei Rüden diese Symptome sexueller Frustration (ja so etwas gibt es :)) auftreten. Der Rüde kann seinem Trieb nicht nachgehen und durchlebt eine regelrechte  Stressphase.
Nicht nur für Rüden, auch für Hündinnen bedeutet die Zeit der Läufigkeit puren Stress. Die meisten müssen zu dieser Zeit ein “Höschen” tragen, ein ungewohnter Gegenstand, der nicht der Natur einer Hündin entspricht (aber unsere Wohnung im Zweifel sauberer hält) und bei jedem Spaziergang werden sie von Rüden und auch anderen Hündinnen wesentlich stärker penetriert als ohne. Diese Aufdringlichkeit und auch die mangelnde Freiheit fördern den hündischen Stresspegel.
Stress bei Mehrhundehaltung: Der oben genannte Stress manifestiert sich bei Mehrhundehaltung umso stärker. Hier ist es nötig, die Tiere während der Läufigkeit räumlich zu trennen. Das bedeutet wiederum nicht nur Stress für die Hunde, sondern selbstverständlich auch für die Halter – gepaart von einem großen organisatorischen und zeitlichen Aufwand.
Bessere Eingliederung in die Gesellschaft: Gerade bei Rüden, die früh kastriert werden, stellt sich die Entwicklung relativ schnell ein. Sie bleiben in der Kommunikation und auch im Verhalten eher “kindlich”. Damit sind sie einfacher zu handhaben und gliedern sich damit einfacher in unsere Gesellschaft ein.
Keine ungewollte Fortpflanzung: Unsere Tierheime platzen aus allen Nähten und das nicht nur wegen der vielen südeuropäischen Hunde, die vom Tierschutz nach Deutschland gebracht werden. Auch auf Grund der offensichtlichen Unwissenheit mancher Hundhaltern in puncto Fortpflanzung und vor allem der Unterschätzung ihrer Rüden. So kommen immer wieder ungewollte Trächtigkeiten zustanden. Die Welpen werden nicht selten an Verwandte und Freunde verteilt, die “nur helfen wollen” und sich dann großer Überforderung gegenüber sehen. Ungern erinnert man sich auch an den einen oder anderen Artikel in der lokalen Presse, in dem von der Ertränkung von Welpen berichtet wurde. Diese armen Tiere sind fast immer die Opfer von ungewollter Fortpflanzung.

Welche Gründe bringen Experten GEGEN die Kastration vor?
Gefährliche OP: Vollkommen klar – jede Operation ist gefährlich und eine Belastung. Selbst bei einem Routine-Eingriff dieser Art kann es zu ungeahnten Komplikationen kommen. Verläuft die OP aber problemlos, ist es unübersehbar, dass das Tier geschwächt und gestresst ist. Bei Hündin kann sich außerdem zu einem geringen Prozentsatz Inkontinenz einstellen.
Gesetzlich verboten: Gesetzlich ist es verboten, einem Tier ein gesundes Glied zu entfernen (Tierschutzgesetzt §6 Abs.1). Ohne wirklichen Grund ist es also gar nicht erlaubt, ein Tier zu kastrieren bzw. zu sterilisieren!
Moral und Ethik: Darf ich als Mensch entscheiden, einem Lebewesen einen grundlegen Teil seines ichs zu entfernen, ihn damit zu verändern und zu beeinflussen? Viele wollen, dass ihre Hunde so artgerecht wie möglich gehalten werden. Sie sollen ihre Triebe ohne Hindernisse empfinden, diesen (natürlich kontrolliert) nachgehen dürfen und ein möglichst natürliches Leben haben. Sie wollen die Hunde nicht einschränken und einfach “Hund sein lassen”.
Schädigung der Entwicklung des Hundes:
Das wohl wichtigste Argument gegen (Früh-)Kastration: Die Entwicklung des Hundes wird gestoppt, der Hund kann sich charakterlich nicht richtig entwickeln und bleibt ein kleines “Dummerchen”. Er bleibt auf dem Stand eines unreifen Hundes, lernt teilweise nicht einmal die richtige Kommunikation zu den Artgenossen und wird sich vielleicht in unserer Welt als “leichter lenkbar” integrieren, unter Umständen allerdings nicht bei seinen Artgenossen. Im “Pro-Bereich” wurde eben dieser Punkt als Grund für eine Kastration aufgeführt. Man sieht also, wie schwierig diese Diskussion ist!
Außerdem können Verhaltensauffälligkeiten wie vermehrte Unsicherheit / Ängstlichkeit u. ä. auftreten.
Für mich die persönlich wichtigste Info zum Thema Kastration: Die meisten Probleme werden durch eine Kastration NICHT beseitigt, denn oftmals handelt es sich nicht um geschlechtliche, sondern um erzieherische Themen. Fast alle unliebsamen Verhaltensweisen müssen durch Training und nicht durch eine Entfernung der Geschlechtsteile behoben werden, denn z.B. Dominanz hängt eben nicht in den Hoden.

Einen Hund zu halten bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Wir drücken unseren Vierbeinern unseren Lebensstil und unsere Welt auf. Das meistern sie mit Bravur, indem sie sich anpassen und gerne mit uns kooperieren. Schlussendlich muss jeder selbst entscheiden, ob es in seinem speziellen Fall artgerechter ist, auf die OP zu verzichten und den natürlichen Trieb des Hundes zu erhalten oder ob es aus oben genannten Gründen lebenswerter für den Hund ist, ihn von diesem Stress zu “befreien”. Dies ist je nach Umgebung, Lebensumstand und Hund vollkommen unterschiedlich und kann nicht pauschalisiert werden!

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