Die Gewissensfrage

Man schließt die Haustür auf, öffnet sie und da kommt uns ein kleines Häufchen Elend mit eingezogener Rute und hängenden Ohren entgegen. “Mist” – denken wir – “was hat er denn dieses Mal angestellt?”. Die Körperhaltung und alle Handlungen des Hundes lassen eindeutig darauf schließen, dass er ein Gewissen haben muss, und genau weiß, wann er etwas falsch machen – oder?

Um dem Hund ein Gewissen nachsagen zu können, müssen wir für uns erst einmal definieren, was ein Gewissen überhaupt ist. Jeder Mensch hat ein Gewissen, es sind Regeln und Vorstellung von Recht und Unrecht, die jeder individuell für sich festgelegt hat. Verstoßen wir gegen etwas selbst auferlegtes, haben wir ein schlechtes Gewissen. Beispielsweise: wir finden es nicht richtig, Gegenstände zu klauen. Nun sehen wir bei einer Freundin einen ausverkauften Lippenstift liegen, den wir selber so gerne haben wollten. Wir handeln einfach und stecken ihn ein. Kaum sind wir daheim, greift unser Gewissen, das uns sagt, dass Klauen nicht in Ordnung ist und wir haben auf Grund unseres Verstoßes ein schlechtes Gewissen.

Nun stellt sich die Frage: Können Hunde für sich selber Regeln aufstellen und zwischen Recht und Unrecht unterscheiden? Ist es für Hunde wirklich falsch, den Mülleimer auszuleeren, in die Wohnung zu pinkeln, unbeschwert einer Spur nachzugehen, usw.? Oder ist es nicht eher so, dass wir Menschen ihnen unsere Regeln auferlegen und ihnen vermitteln was für uns Recht und Unrecht ist? Spinnen wir diesen Gedanken weiter, so werden wir feststellen, dass das schlechte Gewissen unserer Hunde eine reine Reaktion auf unser Verhalten ist.
Tut der Hund etwas Unrechtes in unserer Gegenwart, reagieren wir darauf – schimpfen vielleicht. Das heißt, der Hund verbindet seine Handlung mit unserem Missmut. Tut der Hund etwas Unrechtes in unserer Abwesenheit und wir kommen Heim und reagieren dann, so wird er auch das auf längere Sicht miteinander verknüpfen – das heißt der Unmut des Menschen wird auf Dauer mit seiner Handlung verknüpft (durch eine komplexe Handlungskette die entsteht).
Was bedeutet das wiederum für das sogenannte Gewissen des Hundes? Hunde haben nach wie vor keine eigenen Regeln aufgestellt. Sie finden weiterhin Mülleimer ausleeren, Spuren nachjagen usw. vollkommen in Ordnung. Wir Menschen waren das. Wir vermitteln durch unserer Handlungen, Anspannung und/ oder Körpersprache dem Hund bei gewissen Handlungen ein ungutes Gefühl. Übertragend könnte man behaupten, WIR sind das Gewissen der Hunde. Nicht der Hund hat ein schlechtes Gewissen, wenn er abgehauen ist und zurückkommt – wir strahlen mit unter eine solch beklemmende, bedrückende Stimmung aus, dass sich der Hund lieber schon einmal vorsorglich klein macht und angeschlichen kommt, oder sich gar vorher schon abwendet und gar nicht her kommen möchte.

Oftmals weiß der Hund gar nicht, dass oder auch was er falsch gemacht hat, aber unsere Körpersprache verrät ihm, dass wir sauer sind. Oder er verknüpft eine Handlung mit unserem Missmut -> es entsteht eine Handlungskette!

Im Klartext heißt das, dass Verhalten unserer Hunde, was uns ein Gewissen vermuten lässt, sich zusammensetzt aus:

  • Von uns auferlegten Regeln
  • Unserer Reaktion auf Handlungen
  • Verknüpfung von Handlungsketten, die auf ein bestimmtes Verhalten erfolgt.

Warum lassen Hunde Handlungen nicht einfach sein, die zu unserem Unmut führen? Meist liegt es schlichtweg daran, dass der Erfolg, den sie mit dem Öffnen eines Kühlschranks, dem Nachjagen einer Spur oder dem Stibitzen von Futter haben einen größeren Ansporn bietet, als die Strafe die darauf folgt. Oder das die Verknüpfung “falsch” stattgefunden hat – er weiß schlichtweg nicht dass wir etwas nicht wollen, wer weiß nur, dass wir immer dann “unausstehlich” sind – oder ein Trieb zu stark ist als ihn wegen etwas Schimpfen hemmen zu können. Davon mal abgesehen: Halten wir uns immer an alle uns auferlegte Regeln?

So das war nun ein kleiner Beitrag aus der “Vermenschlichungsgruppe”. Ich hoffe er hat gefallen und wieder mal ein wenig mehr aufgeklärt.

 

Ein Gedanke zu “Die Gewissensfrage

  1. Toller Beitrag! Ich finde es dennoch erstaunlich, wie weit unsere Hunde in der Lage sind zu kombinieren. Eine unserer Hündinnen hat mal in unserer Abwesenheit eine Pfütze in den Archivraum des Büros gemacht – ein Raum, den wir so gut wie nie betraten. Sie schlich uns entgegen, nur wir konnten kein Vergehen entdecken und bestärkten sie mit Freundlichkeit, Lob usw. Sie aber wartete wohl förmlich darauf, dass wir ihre Missetat entdecken. Als dies nach längerer Zeit durch Zufall geschah, schimpften wir nicht, sondern beseitigten wortlos das Malheur. Erst als alles weg war und wieder gereinigt, keiner geschimpft hatte, entspannte sich der Hund. Sie hatte also auch nach Stunden keinesfalls vergessen, dass sie da etwas Unterwünschtes getan hatte. Ich fand das sehr beeindruckend.

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